Dr. Johanna Havran ist Kinderärztin und zweifache Mutter (8 und 4). Sie ist in Mönchengladbach aufgewachsen und lebt seit dem Medizinstudium in Düsseldorf. Die 39-Jährige hat gerade frisch ein Blogprojekt gestartet: Unter dem Motto „Mama ist Kinderärztin“ schreibt sie über Themen, die junge Eltern bewegen, aus ihrer speziellen Perspektive als Mutter und Ärztin.
Wir haben mit Johanna über ihr Projekt, häufige Eltern-Sorgen und die Rolle des Internets dabei gesprochen.
Wieso hast du dich für den Beruf der Kinderärztin entschieden?
Die Idee entstand im Laufe meines Medizinstudiums, insbesondere beim praktischen Unterricht in der Kinderklinik. Ich mag den Umgang mit Kindern, ihre ganz eigene Art mit Dingen umzugehen und auch die Atmosphäre in der Kinderklinik ist eine besondere im Vergleich zu den Erwachsenen. Ich finde die Arbeit mit Kindern auch besonders wichtig, weil man hier helfen kann, die Grundlagen für ein gesundes Leben zu schaffen.
Wie konntest du deinen Job mit der Geburt deiner Kinder vereinbaren?
Bei der Geburt meiner Tochter fehlten mir nur noch wenige Monate bis zur Facharztprüfung – die habe ich deshalb schon nach einer relativ kurzen Babypause durchgezogen. Doch die Arbeit im Krankenhaus, gerade durch den stressigen Schichtdienst, ist nicht wirklich mit einem Familienleben vereinbar, wie ich es mir vorstelle. Nach der Geburt meines Sohnes wollte ich es deshalb unbedingt anders machen und habe mir eine längere Auszeit vom Job gegönnt.
Mittlerweile ist dein Jüngster 4 Jahre alt. Wie hast du in den Beruf zurückgefunden?
Erst war es gar nicht so leicht, eine passende Teilzeitstelle zu finden. Ich habe die Zeit aber genossen und auch genutzt – mit Hospitationen und Fortbildungen. Mittlerweile arbeite ich in Teilzeit in einer Kinderarztpraxis.
Was hat sich verändert bei deiner Arbeit in der Praxis, jetzt, wo du selbst Mutter bist?
Ich habe das Gefühl, die Perspektive der Eltern heute deutlich besser zu verstehen. Ich kann bestimmte Reaktionen nachvollziehen, bei denen ich mich früher schon mal gewundert habe. Trotz aller Empathie ist es eben etwas anderes, ob du sagst ‚Ich kann mir vorstellen, wie das ist‘ oder ‚Ich weiß genau, wie das ist‘.
Kannst du dafür ein Beispiel geben?
Wenn Eltern ein Medikament nicht geben, weil ihr Kind es nicht schlucken will, und Zäpfchen mag es auch nicht – da habe ich früher schon öfter gedacht: ‚Das muss doch irgendwie gehen.‘ Inzwischen kenne ich die Situation sehr gut. Mein Kind schreit vor Ohrenschmerzen, aber trotz allem will es sich nichts dagegen geben lassen. Da hilft weder Logik noch Verstand, und als Mutter kann man sich dann ganz schön hilflos fühlen.
Wie wirkt sich dein Wissen als Kinderärztin auf deine Mutterrolle aus? Was denkst du, ist es eher Fluch oder eher Segen?
Auf jeden Fall ein großer Segen! Allein schon, weil ich natürlich viel seltener überhaupt zum Arzt gehen und im Wartezimmer sitzen muss. Ich gehe nur, wenn ich mal eine zweite Meinung einholen will oder für die Vorsorgeuntersuchungen. Insgesamt kann ich sehr entspannt mit Erkrankungen meiner Kinder umgehen. Aber selten kommt es auch mal vor, dass ich mir durch das Wissen als Ärztin vielleicht mehr Sorgen mache und an irgendeine seltenere oder bedrohlichere Krankheit denke. Dann stürze ich mich in die Fachliteratur oder frage Kollegen. Meistens ist eine größere Sorge dann zum Glück unbegründet, und es ist sicher auch von Vorteil, wenn man so immer mal wieder sein Wissen auffrischt.
„Ich habe das Gefühl, unsere Generation verlässt sich zu wenig auf ihre Intuition.“
Immerhin Fachliteratur. Wir Normalo-Eltern landen in so einer Situation ja gerne im Internet und ackern uns durch Ratgeberseiten und Foren. Was hältst du davon?
Ehrlich gesagt finde ich es manchmal ziemlich schlimm, was man da so zu lesen kriegt im Netz. Ich habe das Gefühl, unsere Generation verlässt sich zu wenig auf ihre Intuition. Da wird alles direkt gegoogelt und nachgelesen, anstatt sich ein krankes Kind mal genau anzuschauen, ein Gefühl für das Kind und seine Bedürfnisse zu entwickeln.
Jetzt startest du selbst einen Blog. Was hat dich zu „Mama ist Kinderärztin“ motiviert?
Einerseits genau dieser Punkt, dass im Internet viel zu viele Halbwahrheiten und überholte Wissensstände zu finden sind. Im Internet kann jeder einfach schreiben was er will und oft werden dann persönliche Erfahrungen verallgemeinert und andere Menschen dadurch verunsichert. Zum anderen habe ich gemerkt, dass es einige Themen und Fragen gibt, die sehr häufig und immer wieder auftauchen. Diese möchte ich gerne im Blog aufgreifen. Durch meine spezielle Perspektive als Ärztin und Mutter möchte ich auch das gegenseitige Verständnis stärken. Eltern wissen eben nicht immer, wie Ärzte ticken, weshalb sie etwas jetzt genau so oder so machen – und andersrum gilt das Gleiche.
Wie viel persönliche Note werden die Beiträge auf deinem Blog haben?
Ich versuche, beides zu schaffen: Etwas Fachliches zu vermitteln und gleichzeitig aus meiner persönlichen Perspektive zu erzählen. Ich glaube, dass Berichte über Erfahrungen und Erlebnisse helfen, sich abstrakte Themen besser vorzustellen.
Das Gespräch führte Alexander Plitsch.
Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit Johanna über häufige Sorgen junger Eltern und die Herausforderung, entspannt zu bleiben bei Entwicklungsthemen und Krankheiten der Kinder.