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Vegan und schwanger: Von Nährstoffen, Vorwürfen und Lust auf Schokolade

Schwanger vegan

Wer sich vegan ernährt und schwanger wird ist oft unsicher: Was ist für die Entwicklung des Fötus jetzt das Beste? Kann ich meinem Baby durch die vegane Ernährung schaden? Was wird mein Umfeld sagen, wenn ich auch schwanger vegan bleibe? Anke Helène berichtet von ihren eigenen Erfahrungen und zeigt, dass eine vegane Schwangerschaft problemlos möglich ist – wenn man sich informiert und bewusst ernährt.

Ich erinnere mich noch gut daran: Ich sitze auf dem Badewannenrad und starre auf die beide roten Striche auf dem Schwangerschaftstest. Mir fehlen die Worte, um meinen Mann zu rufen. „Oh“, sage ich einfach laut, um auf mich aufmerksam zu machen.

Im folgenden Freudentaumel und der Aufregung habe ich mir erst mal keine Gedanken um meine Ernährung gemacht. Ich lebe schon seit Jahren vegan. Es jetzt zu ändern, nur weil ich schwanger war, kam mir nie in den Sinn. Dazu muss ich sagen: Ich habe großes Glück, denn für meine Freunde und meine Familie ist meine pflanzliche Ernährung kaum ein Thema und ich musste keine Kämpfe mit Verwandten ausfechten, die sich um mich oder das ungeborene Kind sorgten.

Vegan und schwanger: Die Frage ist nicht, ob es geht, sondern wie es geht

Klar, in der Schwangerschaft benötigt der Körper mehr Nährstoffe. Anke HeleneAber wer sich schon vorher gesund und ausgewogen ernährt hat, kann genau so weitermachen – mit besonderem Augenmerk auf Proteine und einige wichtige Nährstoffe wie Eisen, Folsäure oder Vitamin B12, von denen der Körper jetzt mehr braucht.

Sich schon vor der Schwangerschaft gesund zu ernähren ist auch wichtig, da gerade am Anfang viele Frauen oft noch gar nicht wissen, dass sie ein Kind erwarten – ich war zum Beispiel ganz zu Beginn noch auf einem Festival, stand in der ersten Reihe auf Konzerten und wurde gegen die Wellenbrecher geschleudert. Nie im Leben hätte ich meinem Körper das zugemutet, hätte ich gewusst, dass ich schwanger bin.

Der Fötus wird über die Nabelschnur mit Nahrung versorgt, deshalb ist eine ausreichende Versorgung der Mutter mit Nährstoffen so wichtig. Das Wälzen von Ernährungsratgebern und Essensplänen hat mich in der Schwangerschaft manchmal ganz schön gestresst: Wie sollte ich es nur schaffen, so viel zu essen, wenn mir doch eigentlich so gar nicht nach Essen war?

In den ersten Wochen hatte ich ausgerechnet eine ausgeprägte Phase mit Heißhunger auf Taco-Chips. Es heißt ja immer, man solle auf seinen Körper hören und dass das Baby einem schon sage, was es braucht… Zum Glück kamen später noch Avocado, Vollkornbrot mit Erdnussbutter und Marmelade sowie veganes Sushi als Gelüste hinzu. Mein geliebtes Müsli mit Joghurt und Früchten, dass ich auch heute wieder jeden Morgen esse, ging dafür plötzlich gar nicht mehr.

Grüne Smoothies, hochwertige Öle, volle Eisen-Power

Wer unsicher ist oder sich noch nicht lange vegan ernährt, für den ist in der Schwangerschaft eine Ernährungsberaterin eine gute Wahl. Wichtig ist vor allem, sich abwechslungsreich zu ernähren: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Obst und Gemüse sollten der Schwerpunkt sein. Trockenfrüchte und Nüsse sind gute Snacks für unterwegs und Grüne Smoothies ein idealer Start in den Tag. So kannst du mehr Rohkost essen, als du es sonst schaffen würdest und nimmst nebenbei noch eine Extraportion Vitamine, Mineralien und Spurenelemente wie Kalzium, Zink und Folsäure zu dir. Das Tolle an Smoothies ist, dass deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt sind und du immer wieder neue Kombinationen erfinden kannst.

Hochwertige Öle sollten auch auf dem Speiseplan stehen. Leinöl zum Beispiel ist ein guter Lieferant für Alpha-Linolsäure. Es gibt mittlerweile auch extra mildes Leinöl, ich konnte den bitteren Geschmack des Öls während der Schwangerschaft nämlich nicht ausstehen. Auch Walnuss- und Sojaöl sind empfehlenswert, da sie ein ausgewogenes Verhältnis an Omega 3- und Omega 6- Fettsäuren haben. Der Eisenbedarf ist in der Schwangerschaft erhöht, aber auch mit pflanzlichen Eisenlieferanten wie Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten – am besten gemischt mit Vitamin C-reichen Lebensmitteln, die die Aufnahme verbessern – sollte das kein Problem sein.

Ich esse sehr gerne rohe Rote Beete, ganz fein geschnitten und mit Mandelstückchen bestreut oder als Salat mit Quinoa – volle Eisenpower. Folsäure ist vor allem zu Beginn der Schwangerschaft sehr wichtig und wer hier unsicher ist, ob er ausreichend damit versorgt ist (gute Quellen sind Gemüse, unter anderem grünes Blattgemüse und Kohl, Vollgetreide und Hülsenfrüchte), kann Tabletten nehmen, um die Versorgung zu steigern.

Von meiner Frauenärztin habe ich während der Schwangerschaft allerlei Vitamintabletten bekommen. Die meisten waren wahrscheinlich sowieso nicht vegan, deshalb habe ich lieber Vitamin B12 und Vitamin D (ich war über den Winter schwanger) einzeln supplementiert. Vitamin B12 spielt eine wichtige Rolle in der Zellteilung, in der Bildung roter Blutkörperchen und übernimmt bedeutsame Funktionen im Nervensystem. In einer rein pflanzlichen Ernährung kommt es nicht ausreichend vor und sollte deshalb auf jeden Fall supplementiert werden. Ausführliche Informationen und Dosierungsempfehlungen findet man z.B. bei Tofufamily.

Natürlich war ich auch manchmal unsicher, ob mein Baby und ich ausreichend versorgt sind, aber die Vorsorgeuntersuchungen bei der Frauenärztin haben mich immer beruhigt: Bei den drei großen Untersuchungen wird ja auch Blut abgenommen und meine Werte waren immer super. Zusätzlich habe ich auch von meiner Hausärztin ein großes Blutbild erstellen lassen.

Schlagfertig auf Vorwürfe reagieren

Vielleicht hätte ich mehr über meine vegane Schwangerschaft diskutieren müssen, wenn es mehr Leute gewusst hätten – schließlich läuft man nicht mit einem Schild um den Hals herum auf dem steht „Ich bin schwanger und vegan!“. Ich musste mich eigentlich nur einmal rechtfertigen, als mir eine Medizinstudentin vorwarf, ich würde die Gesundheit meines ungeborenen Kindes aufs Spiel setzen. Da hilft es eine passende Antwort parat zu haben, auch um fundiert auf die gängigen Fragen wie „Und was ist mit Eisen/Calcium/etc.?“ reagieren zu können. Antworten findet man im Netz beim Vebu, bei Tofufamily oder bei Peta sowie in Büchern wie dem Ratgeber Vegetarische Ernährung.

Die American Dietetic Association (seit 2012 Academy of Nutrition and Dietetics, A.N.D.) ist die weltweit größte Vereinigung von Ernährungswissenschaftlern und sagt in ihrem Positionspapier von 2009:

„Eine gut geplante vegane und andere Formen der vegetarischen Ernährung sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, frühe und spätere Kindheit und Adoleszenz.“

Online vernetzen und austauschen gibt Sicherheit

Nichts hilft mehr als Freunde, die einem den Rücken stärken oder andere Schwangere und Mütter, mit denen man sich austauschen kann. Leider hat aber nicht jeder vegane und gerade auch noch schwangere Frauen in seinem Umkreis. Doch zum Glück gibt es den Online-Clan! Der Begriff wurde von Susanne Mirau geprägt und ich finde, er passt hier sehr gut: Eltern brauchen andere Eltern, mit denen sie sich austauschen können. Finden wir keine in unserem Umfeld, können wir uns online mit ihnen vernetzen. So hatte ich auch nicht das Gefühl, die einzige zu sein, die sich in ihrer Schwangerschaft pflanzlich ernährt, konnte mich austauschen und habe viele Tipps bekommen.

Ich finde, vegan zu leben sollte Spaß machen und nicht zum Zwang werden, auch nicht in der Schwangerschaft. Ich ernähre mich aus ethischen, moralischen und ökologischen Gründen rein pflanzlich. Ich möchte nicht, dass Tiere für mich leiden und sterben müssen.

Während meiner Schwangerschaft hatte ich nie das Bedürfnis nach Fleisch, Milch oder Eiern – aber ich hatte soo Lust auf Schokolade! Nicht auf vegane, obwohl es mittlerweile tolle Sorten gibt, sondern auf Milchschokolade. Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich habe dem manchmal nachgegeben. So manche Veganer, die ich kenne, werden das wohl verurteilen, aber so ist es eben. Ich bin auch nur ein Mensch, bei dem in der Schwangerschaft die Hormone verrückt gespielt haben.

Buchtipps:

Zum Beitrag passende Buchempfehlungen gibt es in den Buchtipps für die vegane Schwangerschaft auf mamour.de.

Linktipps:

Neben den im Beitrag empfohlenen Websites lohnt sich auch noch ein Blick auf folgende Seiten:

Gemüsebaby, mein persönlicher Blog

Vegane Eltern in Deutschland und Umgebung, Facebook-Gruppe

Vegan … in anderen Umständen, Blog zu veganer Familienernährung

Über die Autorin

Anke Helène, die „Gemüsemama“, ist Ende 20 und Mutter eines bald dreijährigen Sohnes. Seit einigen Jahren lebt sie vegan und ihr Sohn wächst ebenfalls vegan auf. Um ihre Erfahrungen zu teilen, schreibt sie auf ihrem Blog Gemüsebaby über ihren (veganen) Alltag und bedürftnisorientierte Erziehung.

Vegan zu leben sollte Spaß machen und nicht zum Zwang werden, auch nicht in der Schwangerschaft.

Anke Helène
Anke Helene