Mehr auf die eigene Intuition hören – das rät Kinderärztin Dr. Johanna Havran Eltern, die sich schon bei kleinsten Krankheitssymptomen große Sorgen um ihre Kinder machen. Selbstbewusstsein empfiehlt sie auch im Generationenkonflikt bei der Erziehung.
Im ersten Teil des Interviews haben wir Johanna und ihren neuen Blog Mama ist Kinderärztin vorgestellt. Im zweiten Teil sprechen wir mit ihr über häufige Sorgen junger Eltern:
Johanna, ärgerst du dich als Kinderärztin über Eltern, die sich bei jedem Wehwehchen ihrer Kleinen verrückt machen und in die Praxis kommen?
Nein, das nicht. Erstmal gibt es ja ganz unterschiedliche Eltern – manche machen sich eben sehr schnell Sorgen, viele bleiben aber auch total entspannt. Und wenn Sorgen da sind, dann soll man sich auch Hilfe holen. So kommt es eben immer wieder vor, dass eher den Eltern und weniger dem Kind geholfen werden muss.
Was können Eltern tun, die dazu neigen, sich unnötig früh Sorgen zu machen?
Eltern sollten versuchen, das eigene Kind richtig einschätzen zu lernen und auf ihre Intuition zu hören. Wenn wirklich etwas nicht in Ordnung ist, merken Eltern das nämlich in aller Regel sehr genau. Das Gefühl fürs eigene Kind ist bestimmt zuverlässiger als die Meinung anderer Eltern in diversen Online-Foren einzuholen.
Ein Thema, das gerade frischgebackene Eltern oft verunsichert, ist der plötzliche Kindstod. Was rätst du Eltern im Umgang mit dieser Angst?
Für den plötzlichen Kindstod gibt es nach heutigem Forschungsstand ja nicht die eine Ursache – und eben diese Ungewissheit macht Eltern verständlicherweise ängstlich. Andererseits gibt es eine ganze Liste an Empfehlungen, die Eltern berücksichtigen können, um das Risiko zu minimieren. Und mehr kann man einfach nicht machen – was bleibt, ist eine Sorge, mit der man leben muss. Und die später ja auch nicht verschwindet: Von giftigen Pflanzen bei Kleinkindern bis Autounfällen bei 18-Jährigen – Eltern machen sich immer Sorgen um ihre Kinder. Das halte ich für völlig normal. Nur wenn es so aussieht, dass eine so große Angst da ist, dass ein normales Leben nicht möglich ist, brauchen Eltern sicherlich eine besondere Hilfe.
An der Homöopathie scheiden sich die Geister, bei Ärzten genau wie bei Patienten. Wie siehst du diesen Konflikt und eignet sich die Homöopathie auch bei Babys und Kleinkindern?
Ich selbst gehe offen, neugierig, aber auch kritisch mit alternativen genau wie mit schulmedizinischen Heilmethoden um. Anstelle von „alternativ“ finde ich aber den Ausdruck „komplementär“ besser. Wenn ich alternativ sage, klingt das so, als ob nur das eine oder das andere möglich ist. Das generelle Verteufeln der jeweils anderen Methode stört mich. Manchmal ist eben ein Antibiotikum die beste Hilfe bei einer Erkrankung – wenn es aber auch ohne geht, ist es gut, wenn mehr als die reine Schulmedizin zur Verfügung steht. Warum nicht verschiedene Methoden kombinieren, wenn es passt? Ich finde es wichtig, dass der eine vom anderen lernen kann.
Junge Eltern werden oft mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert – der Kinderarzt sagt das eine, die Hebamme das andere. Wie entscheidet man, was am besten ist für das eigene Kind?
Eine schwierige Frage: Wem vertraue ich und warum? Wenn ich mit verschiedenen Meinungen konfrontiert werde, ist es sicherlich hilfreich, das Ganze noch einmal zu hinterfragen. Wenn mir auffällt, dass mir zu einer Person das Vertrauen fehlt, sollte ich das Thema ansprechen. Vielleicht wird dann schon manches klarer. Also: Professionellen Rat holen und nachfragen bis man sich genug informiert fühlt. Und so kann man am Ende immer seinen eigenen Weg finden.
Und wenn Mutter, Schwiegermutter oder Oma es mal wieder besser wissen?
Generationenkonflikte gibt es gerade bei Erziehungsthemen oft. Erziehungsstile ändern sich eben mit der Zeit und aus der Forschung wissen wir mittlerweile vieles, was unseren Eltern oder Großeltern noch nicht bekannt war. Argumente wie „Das hat bei mir damals auch nicht geschadet“ würde ich nicht zulassen. Hier sollten die jungen Eltern selbstbewusst sein und ihren Verwandten erklären, wie sie ihre Kinder aufziehen möchten. Vergessen sollte man bei allen Streitereien aber nicht, wie enorm wertvoll die Unterstützung der Familie ist, und dass es sehr vieles gibt, das man von der älteren Generation lernen kann. Und ich finde es auch okay, wenn manches bei Oma eben mal anders ist als zuhause – zum Beispiel was Süßigkeiten oder Fernseh- und Schlafgewohnheiten angeht.
Das Gespräch führte Alexander Plitsch.
Im Interview: Dr. Johanna Havran
Dr. Johanna Havran ist zweifache Mutter und lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Auf ihrem frisch gestarteten Blog Mama ist Kinderärztin berichtet sie von ihren Erfahrungen als Kinderärztin und Mutter und möchte dabei fachliche Themen verständlich ansprechen. Dabei reichen ihre Beiträge von Klassikern (z.B. Thema Fieber) bis zu aktuellen Themen in der Kinderheilkunde.