Wenn ein Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt stirbt, ist das immer ein unglaublich schmerzhaftes Ereignis für die werdenden Eltern. Wenn sie in der Schwangerschaft erfahren, dass das gesund geglaubte Kind nicht lebensfähig sein wird, ist es noch einmal schmerzhafter.
Zu der Fassungslosigkeit und der Trauer kommt das schier Unmögliche: die Entscheidungsfindung, die nun von ihnen verlangt wird: Das geliebte Kind abtreiben oder der Natur ihren Lauf lassen.
In „Die kleinen Sterne leuchten immer. Briefe einer Sternenkindmutter“ erzählt Autorin Tanja Wenz die Geschichte von Maya und Torben, die sich in dieser schwierigen Situation für das Weitertragen und gegen eine Abtreibung entscheiden. Sie erleben eine innige Geburt, müssen ihre kleine Tochter aber schon bald darauf wieder gehen lassen.
Trotz aller Trauer sind sich Maya und Torben sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sie haben nicht nur Liebe gegeben, sondern auch Liebe empfangen.
„Wieso wir?“
Maya findet Liebe und Geborgenheit in den zahlreichen Briefen, die sie an ihre verstorbene Mutter schreibt. Auch als Maya und ihr Mann Torben vor der schwersten Entscheidung überhaupt stehen, hilft Maya die schriftliche Nähe zu ihrer Mutter sehr.
„… Liebe Mama, während ich dir das hier schreibe, tropfen Tränen auf das Blatt. Wieso wir?“
„Liebe Mama, nun ist Mariella bei dir und du kannst sehen, was für ein Engel unsere kleine Maus ist. Bitte pass gut auf sie auf. …“
In unserer Gesellschaft ist das Weitertragen von nicht lebensfähigen, ungeborenen Kindern, immer noch nicht durchgehend akzeptiert. Die werdenden Eltern werden leider häufig bei der Erstdiagnose unter Druck gesetzt, sich schnell für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden.
„… unser Kind litt an Anenzephalie, es fehlten ihm große Teile des Gehirns und es würde nicht lebensfähig sein. Der Arzt riet uns zu einer Abtreibung. Dafür würden sich fast alle betroffenen Eltern entscheiden, sagte er. Jetzt wäre eine Abtreibung noch einfach durchzuführen, da die Fehlbildung so früh in der Schwangerschaft entdeckt wurde und das Kind noch sehr klein sei. Wenn wir wollten, könnten wir sofort einen Termin vereinbaren. Das wäre sicher das Beste, meinte er …“
Die Abtreibung gilt als Lösung der ersten Wahl, über die Möglichkeit des Weitertragens werden die Eltern oft nicht ausreichend informiert. Auch das Umfeld reagiert manchmal mit Unverständnis. Die Eltern von diesen besonderen Kindern sollten in Ruhe und mit Zeit, die Entscheidung treffen dürfen, eine Entscheidung, die für sie und ihr Kind stimmt – ohne Druck von außen. Diese kann für jeden anders ausfallen. Da gibt es kein richtig und falsch.
„… Eine Weile blieb es in dem Besprechungszimmer ruhig, dann hörte ich, wie Torben die Luft tief durch die Nase einsog und sagte: ‚Wir überlegen uns das zu Hause in Ruhe, das können wir nicht jetzt sofort entscheiden.’ …“
Die Schwangerschaft mit einem nicht lebensfähigem Kind
Viele Betroffene entscheiden sich dafür, nur ihr engstes Umfeld zu informieren. Oft besteht der Wunsch, trotz der Traurigkeit über die begrenzte, gemeinsame Zeit, diese besondere Schwangerschaft normal zu erleben. Besuche im Schwimmbad, das kunterbunte Anmalen der Babybauchkugel, liebevolle Zwiegespräche mit dem Kind und vieles mehr.
Erfahrungsberichte zeigen, dass diese besonderen Kinder auf ihre Umwelt reagieren – sie strampeln und reagieren oft genauso auf Zärtlichkeiten von außen, wie auch die gesunden Kinder.
„…Abends haben wir mit beiden Kindern immer gekuschelt. Mariella hat dann immer wie verrückt gestrampelt, so als würde sie uns zeigen wollen, dass sie mitmacht und zu uns gehört. Dazu hat sie nicht ihren Verstand gebraucht, sondern nur ihr Herz. Die gemeinsame Zeit mit unserer Tochter war so kostbar und wir haben jeden Tag mit ihr genossen. …“
Was kommt danach?
Die Zeit des Abschieds und der Trauer wird unterschiedlich erlebt, jeder Mensch geht anders damit um. Wichtig ist, dass man weiß, dass man sich auch Hilfe von außen holen kann und dies nicht alleine durchstehen muss.
Geschwisterkinder sollten, je nach Alter, schon während der Schwangerschaft in das Wissen um den bevorstehenden Tod des kleinen Geschwisterchens einbezogen werden. Wenn möglich sollten sie auch zusammen mit den Eltern Abschied nehmen dürfen.
„… Mariella war bei mir auf dem Arm und Torben hat Fynn auf seinen Schoß gehoben. Wir sagten ihm, dass seine kleine Schwester nicht mehr bei uns bleiben könne und dass sie uns nun verlassen würde. Ich weiß nicht, was er davon verstanden hat, denn er ist ja noch so klein. Doch mir war es wichtig, dass er sich von Mariella verabschiedet. Er streichelte ihre kleine Hand und sagte: ‚Schü.’ …“
Kinder trauern anders, und die Eltern sollten sie bei all der eigenen Trauer nicht vergessen. Hier können Verwandte oder Freunde wichtige Helfer sein. Der Verlust eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis für alle Beteiligten und hinterlässt eine tiefe Wunde, die nur langsam verheilt.
Bei der Trauerbewältigung können auch Briefe an das verstorbene Kind helfen:
„… Liebe Mariella,
heute schreibe ich dir, auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt
dies tun zu müssen. Viel lieber würde ich mit dir kuscheln und dir all
meine Liebe ins Ohr flüstern. Doch das kann ich nun nicht mehr.
Trotzdem will ich dir etwas sagen: Du fehlst mir so.
Nicht nur mir, auch Papa und Fynn.
Wir vermissen dich sehr.
Ich hoffe, dass es dir gut geht und ich möchte mich bei dir für unsere
schöne gemeinsame Zeit bedanken.
Du bleibst in unseren Herzen und wirst dort für immer einen besonderen Platz haben.
Mein kleiner Engel, ich liebe dich.
In Liebe, deine Mama …“
Hilfreiche Ressourcen zum Thema:
Bundesverband verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.: www.veid.de
Initiative Regenbogen Glücklose Schwangerschaft e.V.: www.initiative-regenbogen.de
Forum und Informationsseite zum Austragen einer Schwangerschaft bei schwierigen pränataldiagnostischen Befunden: www.weitertragen.info
Informationsseite zu Anenzephalie mit Erlebnisberichten, Links, Sachbeschreibungen in mehreren Sprachen: www.anenzcephaly.info
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Über die Autorin
Tanja Wenz ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Rheinland-Pfalz. Ihre Freundin hat ein Kind, das an Anenzephalie litt, nicht abgetrieben, sondern weitergetragen. Die Liebe, mit der sie dieses Kind getragen und auf dieser Welt empfangen hat, war sehr berührend für die Autorin. Deshalb wollte sie dieses Erlebnis und die Erfahrungen damit aus der Tabu-Zone herausholen und in die Öffentlichkeit tragen.
Quellennachweis Titelbild: Olga Max, Shutterstock.com